Bier in der DDR

In Europa gehört die DDR mit zu den Ländern, wo das meiste Bier getrunken wird. 1980 waren es 138 Liter, die im Durchschnitt jeder DDR-Bürger jährlich durch seine Kehle rinnen ließ. Dabei stieg die Produktion von 1972 bis 1980 von jährlich knapp 18 Millionen Hektolitern auf über 23 Millionen. Die Tendenz des Biertrinkens weist auf 140 bis 150 Liter pro Kopf und Jahr.

In den etwa 240 Produktionsstätten (Stand 1976) muss man sich jedenfalls auf den höheren Verbrauch einstellen. Das bedeutet: Einführung neuer Technologien, die einen größeren Ausstoß gewährleisten - bei verbesserter Qualität, sei hinzugefügt. Das Stichwort heißt: gärzeitverkürzende Verfahren. Zu diesem Zwecke werden Großraumreaktoren in Betrieb genommen, in denen sich Gärung und Reifung vollziehen. Sie entstehen in Freibauweise und ähneln den Silos in der Landwirtschaft. Die Brauereien wandeln also ihr Gesicht, ohne dass sich jedoch im prinzipiellen Ablauf des Brauvorgangs etwas ändert. Auch Blocksudwerke zur Rekonstruktion der Würzegewinnung sind lediglich Mittel, die Voraussetzungen für eine umfangreichere Produktion zu schaffen. Die damit erzielte günstigere Raumausnutzung und die verbesserte Technologie sichern den notwendigen Würzenachschub für die Gärung und Reifung. In der Magdeburger Diamant-Brauerei sollen insgesamt 24 dieser Großraumreaktoren oder "Bierraketen", wie sie der Volksmund schon nennt, installiert werden mit einem Fassungsvermögen von jeweils 250 Kubikmetern. Das Verfahren sichert die Verkürzung der Brauzeit um etwa die Hälfte. Nach vollendeter Rekonstruktion werden in Magdeburg jährlich über eine Million Hektoliter Bier hergestellt. Neubrandenburg produziert bereits jährlich eine halbe Million Hektoliter.

Ähnliche großzügige Rekonstruktionsmaßnahmen sind für alle wichtigen Brauereien der DDR vorgesehen, etwa für den VEB Sachsenbräu Leipzig, für die Berliner oder Dresdner Brauereien. Selbst eine solche traditionelle Brauerei wie der VEB Exportbierbrauerei Wernesgrün sucht nach neuen Möglichkeiten, noch mehr seines begehrten Spezialbieres herstellen zu können. Ende 1973 wurde hier eine in Freibauweise errichtete Gär- und Reifungsanlage übergeben, die erste derartige komplette Anlage in der DDR. Sie besteht u. a. aus 12 Großraumreaktoren, durch die jährlich 150000 Hektoliter Bier mehr hergestellt werden können. Auch im VEB Radeberger Exportbierbrauerei, der mit 330000 Hektoliter Jahresproduktion nicht die größte, aber mit 50 Prozent des Ausstoßes als Exportbier die bedeutendste Exportbierbrauerei der Republik ist, laufen Langzeittests für neue Verfahren. Die Radeberger Bierbrauer streben trotz aller Neuerungen immer danach, dass sowohl der Biertyp als auch die Qualität stets beibehalten werden.

In gleicher Weise, wie mehr Bier getrunken wird, schnellt auch der Anteil an Flaschenbier in die Höhe. Er liegt zwischen 60 und 70 Prozent und zeigt eine steigende Tendenz. Begreiflich, denn auch die Trinkgewohnheiten haben sich verändert durch den höheren Wohnkomfort. Man trinkt gern - wie schon gesagt - sein Fläschchen zu Hause. Die Brauereien wie die Glasindustrie haben sich auf diese neuentstandenen materiellen und kulturellen Bedürfnisse einzustellen. Es werden Abfüllanlagen mit höheren Leistungen benötigt. Die in der DDR gebräuchlichen Anlagen vermögen 24000 Flaschen in der Stunde zu füllen, durch Weiterentwicklungen werden bereits bis zu 48000 Flaschen stündlich geschafft. Erwähnt werden soll, dass nicht nur mehr Bier getrunken wird. Das Staatliche Getränkekontor Berlin kann auch eine ansteigende Tendenz bei alkoholfreien Spezialitäten feststellen. Doch bleiben wir beim Bier, das wirklich Volksgetränk ist und es auch bleiben wird.

Die Gütevorschriften der DDR für Bier kennen das Einfachbier (Jung- und Braunbier sowie Malzbier) mit einem Stammwürzegehalt von 2,9 bis 3,1 Prozent. Als Schankbier wird das Weißbier gezählt, das leider bis auf die "Berliner Weiße" kaum noch im Angebot ist (Stammwürzegehalt 8,7 bis 9,3 Prozent). Zu den Vollbieren rechnet man das Helle (11 bis 11,5 Prozent), das Doppelkaramel (11,7 bis 12,3 Prozent), das Schwarzbier (11,7 bis 12,3 Prozent), das Diabetiker-Pils (11 bis 11,5 Prozent), das Deutsche Pilsner (12,5 bis 13 Prozent), das Deutsche Pilsner Spezial (12,5 bis 13,3 Prozent), Deutsches Pilsator (12,5 bis 13 Prozent) und das Märzenbier (13,7 bis 14,3 Prozent). Das Starkbier, die hellen und dunklen Bockbiere, haben einen Stammwürzegehalt von 15,7 bis 16,3 Prozent, während der Deutsche Porter mit 17,7 bis 18,3 Prozent die stärksten Geschütze auffährt, wenngleich er sehr selten gebraut wird. Den Hauptanteil der Produktion (mit etwa 57 Prozent) in unseren Brauereien hat das Vollbier hell, das man landläufig als "Helles" bezeichnet, dann folgt das Deutsche Pilsner mit etwa 30 Prozent und das Pilsner Spezial mit etwa 8 Prozent. In die restlichen Prozente teilen sich die anderen Biersorten. Porter beispielsweise werden nur 11 600 Hektoliter in der DDR gebraut, eine verschwindend geringe Menge angesichts der 23 Millionen Bierhektoliter unserer Gesamtproduktion. Unter die wenigen Restprozente fällt auch das sogenannte "AUBI", das Bier für die Autofahrer mit einem Alkoholgehalt, der unter einem Prozent bleibt. Es wird vor allem dort ausgeschenkt, wo viele Motorisierte einkehren, nämlich in Autobahnraststätten. Von denen, die es schon getrunken haben, hört man unterschiedliche Meinungen. Ob es sich durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Erfahrungen, die verallgemeinert werden könnten, liegen jedenfalls noch nicht vor. Die Produktion ist nach wie vor begrenzt und fest steht: Jeder will es zumindest einmal probiert haben. Auch das obergärige Bier soll hier erwähnt werden. Es spielte früher eine führende Rolle, jedoch wird es heute immer weniger hergestellt. Als Beispiel seien die einstige Leipziger "Gose" und die "Berliner Weiße" genannt. Beim obergärigen Bier vollzieht sich die Gärung bei Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad, und die Hefe, die beim untergärigen Bier am Boden sitzt und dort schließlich "geerntet" wird, steigt an die Oberfläche, ist obergärig. Was ansonsten zehn Tage und mehr dauert, ist bei diesem Bier in drei bis vier Tagen erledigt. Das "Obergärige" hat einen leicht säuerlichen und erfrischenden Geschmack, den man mit einem "Schuss" Himbeersaft bei der "Berliner Weißen" noch verfeinern kann. Dieser charakteristische Geschmack wird durch Milchsäurebakterien verursacht, die zusammen mit der Hefe der Würze zugesetzt werden. Allerdings ist die Haltbarkeit bei obergärigen Bieren begrenzt, und sie sind — früher sehr viel und vorzugsweise getrunken — heute nur noch lokale Besonderheiten. Die untergärigen Biere haben die Gaumen der Biertrinker gewonnen! Es geht um Qualität, bei allem Respekt vor gärzeitverkürzenden Verfahren. Die sensorische Qualitätsprüfung, vorgenommen von Bierkennern und -fachleuten, entscheidet über die Zukunft eines jeden Ausstoßes. Die höchste Punktzahl bedeutet ein einwandfreies, vorzügliches Bier im Geschmack wie im Geruch, Schaum und Aussehen. Im Gegensatz zu den mittelalterlichen Bierkiesern, die die Qualität des Bieres daran maßen, ob sie beim Sitzen in einer Bierlache an der Holzbank kleben blieben, spielen bei heutigen Bierproben Zunge, Nase und Augen eine entscheidende Rolle, bei der sensorischen Prüfung nämlich. Das Aussehen des Bieres muss "feurig blank" sein, der Schaum "weiß, standfest und sahnig", der Geruch "vollaromatisch mit gut abgestimmter Hopfen- und Malznote" und der Geschmack schließlich "rein, ausgeglichen, mit harmonischer Bittere". Die Prüfenden essen zwischen den einzelnen Sorten, höchstens dürfen es 15 sein, kleine Bissen von Brötchen, Knäckebrot und mildem Schnittkäse, um den Gaumen zu neutralisieren. Und wenn ein Bier trüb öder unrein aussieht, sauer und ganz und gar unbiermäßig riecht oder schmeckt sowie keinerlei Schaum zeigt, dann ist gewiss: es wird durch keinen Bierhahn taufen oder gar eine Flasche füllen! Neben der sensorischen gibt es selbstverständlich auch die analytische Qualitätsprüfung, wo Stammwürze- und Alkoholgehalt, Vergärungsgrad und Haltbarkeit geprüft werden. Auch die Sauberkeit der Verpackung wird kontrolliert (Sauberkeit der Flaschen, ordnungsgemäßer Verschluss, einwandfreie Etikettierung und Kennzeichnung).