Ein Gastwirt erzählt

Ein sorgfältig gezapftes Bier mit appetitlich sahniger Haube, würzig und erfrischend, ist wohl die beste Werbung für eine Gaststätte und für ihren Wirt. "Wenn das Bier gut eingeschenkt ist, muss man die "Etagen" sehen, wenn man trinkt", meint Herbert K., seit 40 Jahren in der Gastronomie tätig und seit über 15 Jahren als "Lindenhof"-Wirt mit der HO durch einen Kommissionsvertrag zu beiderseitigem Nutzen verbunden. Und sein Rezept: Mit richtigem Druck vorschenken (das Glas hält er dabei schräg von unten an den Auslauf des Hahnes, damit es nicht plätschert), dann das Glas wenige Sekunden stehen lassen, um bei gedrosseltem Durchgang die sahnige Blume zu geben. Zu schnell eingegossenes Bier zeigt einen blasigen Schaum, und die Blume fällt alsbald zusammen. "Auch das Auge trinkt mit", ebenfalls eine der Maximen des Wirts. Sein Pilsner wird nur in Tulpen ausgeschenkt, Manschetten um den Fuß des Glases dienen als Tropfenfänger. Viel Sorgfalt ist auch auf die Pflege der Biergläser zu verwenden. Auch die leiseste Spur von Fett (dazu gehören auch die Lippenstifte) wirkt zerstörend auf den Bierschaum. Also müssen die Biergläser innen wie außen glanzklar sein. Man erreicht das durch Spülen in frischem Wasser. Die gespülten Gläser werden dann nicht etwa auf glatte Unterlagen oder Tücher gestellt, sondern, damit sie nicht einen muffigen Geruch annehmen, auf Gitterroste. Von einem Nachtrocknen der Gläser ist abzuraten. Gewöhnlich werden die Tulpen außerdem zweimal wöchentlich mit warmem Sodawasser und einer Gläserbürste gereinigt und gründlich warm und kalt nachgespült. Damit das Bier in der richtigen Temperatur und dem rechten Geschmack aus dem Zapfhahn fließen kann, sind vier Grundvoraussetzungen notwendig:

Zunächst zum Keller, Herbert K. hat damit Glück. In den alten Gewölben seines Kellers herrscht eine gleichbleibende Kühle, sommers wie winters, so dass er auf das Hilfsmittel Eis zur Kühlung verzichten kann. Die Temperatur im Bierkeller sollte nicht unter 5°C fallen und 10°C niemals übersteigen. Starke Schwankungen der Temperatur beeinflussen die Bierqualität. Der Genusswert des Bieres hängt in erster Linie von der Lagertemperatur ab und wird nicht von der augenblicklichen Schanktemperatur bestimmt. Wenn auf dem Wege vom Fass zum Hahn durch maschinelle Kühlung zu tief heruntergekühlt wird, kommt es beim Bier zur Kältetrübung. Unterkühltes Bier schmeckt rau und leer, zu warm gelagertes Bier dagegen wird fad und verliert seine Vollmundigkeit. Als beste und bekömmlichste Trinktemperatur wird eine zwischen 7 und 10°C empfohlen, wobei man es im Sommer etwas kühler bevorzugt und im Winter die obere Grenze einhält.

DDR Gaststätte, geschlossen ca.1994

Wichtig ist auch, dass das Bier im Keller ausruhen kann. Durch den Transport ist es geschüttelt worden. Es hat eine Ruhepause nötig, denn nicht beruhigtes Bier hat einen lockeren blasigen Schaum und leeren Geschmack. Wenn das Bier angefroren ist, was mitunter auf dem Transport passieren kann, verliert es ganz und gar seine Schaumhaltigkeit. Es muss mehrere Tage bei etwa 10°C lagern. Erst dann erhält es sein funkelndes Aussehen zurück. Keinesfalls darf es plötzlich erwärmt werden, genauso wie eine schnelle Abkühlung nicht zu empfehlen ist. Das Bier hat dann niemals einen so abgerundeten, vollen und würzigen Geschmack wie jenes, das längere Zeit bei gleichbleibender Temperatur gelagert wurde. Unser Wirt hat immer einen Biervorrat für acht Tage im Keller. Der Weg von Wernesgrün bis Dresden ist weit, und mitunter ist schon eine Panne unterwegs passiert, so dass sich die neue Lieferung verzögerte. Das Bier hat nur eine begrenzte Haltbarkeit und ist außerordentlich empfindlich. Deshalb versteht es sich von selbst, dass die neuen Fässer im Keller so gelagert werden, dass zuerst der alte Vorrat ausgeschenkt wird. Gleiches trifft auch für Flaschenbier zu. Erst müssen die alten Kästen leer sein, bevor man in einen neuen greift. Das ist besonders wichtig, denn das normale Vollbier neigt noch schneller zur Trübung als das Pilsner in den Fässern. Der Keller ist sauber und luftig. Die Wände sind gekalkt. Herbert K. ist stolz auf seinen Bierkeller. Dort findet man keine anderen Lebensmittel, etwa Sauerkraut oder Obst oder Gemüse. Er weiß sehr gut, dass Bier gern und schnell fremde Gerüche annimmt. Ein Bierkeller ist nur für Bier bestimmt! Der Wirt schwört auf seine Zinnleitung, die das Bier vom Keller zum Schanktisch befördert. Sie wird alle Monate mechanisch gereinigt und mit Kieseln durchgewaschen. Eine saubere Leitung ist das A und O eines guten Bieres, und scharfe Reinigungsmittel sind hier völlig fehl am Platz. Wenn ein Fass leer ist, läßt er grundsätzlich Wasser durch die Leitung ins leere Fass laufen, das dadurch eine erste, wenn auch bescheidene Reinigung erhält. Man sollte auch das Bier nicht über Nacht oder während der Ruhetage in der Leitung stehen lassen, sondern diese besser unter Wasser setzen. Es empfiehlt sich auch, wöchentlich ein Gummibällchen mittels Wasserdrucks durch die Leitung zu jagen. Das macht wenig Mühe und putzt ungemein. Ein Fass wird angestochen. Herbert K. kann gut und gern eine Wette abschließen: "In anderthalb Minuten bin ich im Keller gewesen und wieder zurück. Dabei habe ich zwei Fässer angestochen!"Hier spielt jahrzehntelange Erfahrung mit, und die Verblüffung ist auf Seiten der Gäste. Beim Anstich ist darauf zu achten, dass das überschäumende Bier nicht auf den Boden läuft, weil auf diese Weise Infektionsgefahr besteht. Also wird ein sauberes Tuch um das Zapfloch gelegt. Zunächst wird das Zapfloch mit einem Tuch oder einer Bürste und Wasser gereinigt und der Ansteckkörper vorsichtig aufgesetzt und festgeschraubt. Das vorher abgespülte Stechrohr wird in den Fasskörper eingeführt und damit der Fasskorken mit kurzem Ruck durchstoßen. Langsam wird dabei auf den Fassboden gefahren, damit der Pechbelag im Holzfass oder die Schutzschicht im Metallfass unbeschädigt bleiben. Nun kann Kohlensäure in das Fass einströmen und das erste Glas zum Probieren aus dem geöffneten Bierhahn gefüllt werden.

Das Bier soll einen ursprünglichen Gehalt an gebundener Kohlensäure, die es aus der Braustätte auf den Weg mitbekommen hat, bis zum letzten Glase behalten. Dazu ist besonders ein gleichmäßiger Druck erforderlich. Dieser Zapfdruck muss Tag und Nacht auf dem Fass belassen werden. "Der Zapfdruck hängt von der Länge der ansteigenden Bierleitung ab", erläutert der Wirt. Welcher Druck, den man aus Kohlensäureflaschen gewinnt, nötig ist, kann leicht ausgerechnet werden. Der Druck im Fass beträgt beispielsweise 0,4 at. Um einen Meter Höhe zu überwinden, sind 0,1 at erforderlich. Sind beispielsweise 5 Meter Höhenunterschied vom Fass bis zum Zapfhahn zu überwinden, so braucht man 0,5 at aus der Druckflasche, und hinzu kommt der ursprüngliche Druck im Fass, so dass schließlich der Gesamtdruck auf das Bier im Fass 0,9 at beträgt. Es ist unklug, nach dem Ausschank von wenigen Gläsern, um zu sparen, die Kohlensäurezufuhr abzustellen. Das rächt sich immer durch Qualitätseinbuße bei den folgenden Gläsern. Immer seltener wird, was Herbert K. noch für seine Kunden praktiziert. Er füllt sein "Wernesgrüner" in Siphons ab, jene grünen Flaschenkrüge, in die vom Hahn in die öffnung ein Gummischlauch gesteckt wird, der luftdicht abschließt. Mittels einer Luftschraube wird der Druck reguliert, und der ursprüngliche Kohlensäuregehalt im Bier bleibt erhalten. Zu Hause kann man aus dem Krug die Gläser füllen und ihnen eine sahnige Haube aufsetzen, so, als ob sie aus dem Zapfhahn käme. Der "Wirt Herbert K. kann es ebenso bestätigen wie die Statistik: Der Bierdurst ist größer geworden, und die Freunde eines guten und gepflegten Bieres haben sich beträchtlich vermehrt. Im Keller des "Lindenhofes" lagern 20 halbe Fässer (ein halbes Fass enthält 50 bis 60 Liter). In einer Woche werden über 15 solcher Fässer ausgeschenkt, das entspricht 8 bis 9 Hektoliter. Herbert K. überschlägt, dass der jährliche Bierumsatz in seiner Gaststätte bei etwa 500 Hektolitern liegt.

Nicht ein Fass ist wie das andere, und der geübte Blick der Gastronomen hat schon manches bei der Ankunft aussortiert. Aber es gibt auch Einflüsse, die nicht offensichtlich sind. Beispielsweise wirken die Witterungsverhältnisse auf die Blume beim Bier und vielleicht auch ein wenig auf dessen abgerundeten Geschmack. Der "Wirt merkt beim Ausschenken sehr gut, wenn ein Gewitter im Anzug ist. Das Bier ist ein sehr empfindliches Getränk und reagiert augenblicklich. So ist es auch zu erklären, dass man mitunter zur sogenannten Pflaumenzeit ein minderes, wenn nicht gar saures Bier erhält. Darauf vermag der Büffetier kaum einen Einfluss zu nehmen. Herbert K. erklärt sich dieses Phänomen so, dass der späte Sommer eine Zeit des Gärens ist und ein Reifeklima schafft, auf das auch das Bier reagiert und beeinflusst wird hinsichtlich der Haltbarkeit. Der Bierverkauf "über die Straße" schließt neben dem Fassbier auch das Flaschenbier ein. Auch hier trifft zu, was für Fassbier gilt, nämlich eine konstante Lagertemperatur beim Händler und später auch beim Verbraucher. Das trägt wesentlich zur längeren Haltbarkeit bei. Bier verträgt keine direkte Sonnenbestrahlung. Flaschenbier sollte deshalb immer dunkel abgestellt werden und auch während des Transports vor Sonne geschützt bleiben. Es wird wohl durch farbiges Glas geschützt. Das genügt jedoch keinesfalls als Schutz gegen direkte Sonnenstrahlen. Sie durchdringen auch das farbige Glas und wirken ungünstig auf den Geschmack des Bieres.

© Foto: mit freundlicher Genehmigung von Rudi Rölz, www.rudi-roelz.de